Paneth / Peters: Über die Verwandlung von Wasserstoff in Helium - 1926

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Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft

Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft, Jahrgang 59 (1926), Seiten 2039-2048
Fritz Paneth / Kurt Peters: Über die Verwandlung von Wasserstoff in Helium
Aus dem Chemischen Institut der Universität Berlin
Eingegangen am 17. August 1926

Über die Verwandlung von Wasserstoff in Helium


1. Der Grundgedanke der Arbeit.

In den modernen Fassungen der Proutschen Hypothese, in den astrophysikalischen Berechnungen der Lebensdauer der Fixsterne und in den radioaktiven Überlegungen über den Ursprung der Heßschen Strahlung wird stets auf die theoretisch zu fordernde Verwandlungs-Möglichkeit von Wasserstoff in Helium hingewiesen. Diese Element-Verwandlung zu realisieren, ist aber bisher nicht gelungen, obwohl bereits mit den verschiedensten Arten elektrischer Entladungen unter Zufuhr großer Energiemengen daran gearbeitet worden ist.

Nun ist die Reaktion selber vermutlich in höchstem Maße energieliefernd; aus der Massen-Abnahme der vier Grammatome Wasserstoff beim Übergang in Helium berechnet sich eine Wärmetönung von 6.4 × 1011 cal. Es ist daher gar nicht sicher, daß überhaupt Energie zugeführt werden muß, um die Reaktion zum Ablauf zu bringen. Eine andere Möglichkeit, die Reaktion nachweisbar zu machen, könnte darin bestehen, daß man die an und für sich unmeßbar langsam verlaufende Element-Verwandlung katalytisch beschleunigt. Der Grundgedanke unserer Arbeit war daher, zu prüfen, ob sich Wasserstoff ohne Energie-Zufuhr teilweise in Helium verwandelt, wenn man ihn mit einem geeigneten Katalysator zusammenbringt; und zwar dachten wir dabei von vornherein an Palladium als katalysierende Substanz.


Über die Menge des Heliums, die sich dabei während einer praktisch möglichen Versuchsdauer im günstigsten Fall aus Wasserstoff bilden könnte, fehlte natürlich jeder Anhaltspunkt. Doch mußten die Aussichten, den gesuchten Effekt zu finden, um so besser werden, je empfindlicher wir unsere Nachweis-Methode für Helium gestalten konnten. Der Versuch, die sich bildende Menge zu erhöhen, mußte also ergänzt werden durch die Bemühung, die Grenze der Nachweisbarkeit möglichst herabzudrücken, um so von unten und von oben in dieselbe Größenordnung zu gelangen. Ob dieses Ziel erreichbar sein würde, ließ sich zu Beginn der Arbeit natürlich gar nicht übersehen. Wir glauben aber heute, nach mehrjähriger Beschäftigung mit diesem Problem, daß uns seine Lösung gelungen ist, und wollen im Folgenden kurz darüber berichten. Eine ausführliche Publikation, mit Zeichnungen der Apparatur und mit Literatur-Hinweisen, wird an anderer Stelle erfolgen.

2. Der Nachweis des Heliums.

Durch eine Ausgestaltung der bisher üblichen Verfahren der spektroskopischen Helium-Untersuchung haben wir die Grenze der Nachweisbarkeit auf 10-8 bis 10-9 ccm (entsprechend 10-12 bis 10-13 g) hinuntergebracht. Wir gehen so vor, daß wir zunächst in der gebräuchlichen Weise die relativ leicht kondensierbaren Gase durch mit flüssiger Luft gekühlte Kohle entfernen und dann den Wasserstoff mit überschüssigem Sauerstoff zu Wasser vereinigen; diese Vereinigung bewirken wir nicht, wie es meist geschieht, durch elektrische Entladungen, sondern durch Verbrennen an einem Platin- oder Palladium-Kontakt. Der Überschuß an Sauerstoff wird dann ebenfalls durch gekühlte Kohle entfernt und der minimale Gasrest in eine Glas-Capillare von 0.1 mm lichter Weite gebracht, die außen mit Draht-Elektroden umwickelt ist und bei ihrer Feinheit direkt an Stelle des Spaltes eines Spektroskops treten kann. Außer den bei der geschilderten Behandlung quantitativ unkondensiert bleibenden Gasen Helium und Neon sind zu Beginn der durch die Capillare geschickten Entladungen in der Regel noch minimale Spuren von Wasserstoff, eventuell auch noch von anderen Gasen, vorhanden. Ein besonders günstiger Umstand für den Nachweis der kleinen Helium-Mengen liegt nun darin, daß bei längerer elektrischer Erregung in dem elektrodenlosen Glasrohr alle Gase früher verschwinden, als die leichten Edelgase Helium und Neon.

Eine Entfernung des Neons wird durch unser Verfahren nicht bewirkt und wäre auch nur schwer auszuführen. Und selbst wenn sie nach einer anderen Methode durchführbar wäre[1], müßte man sie bei unserer Problemstellung vermeiden. Denn das Auftreten von Neon ist ein ungemein wertvoller Fingerzeig, daß atmosphärische Luft eingedrungen ist; die Gefahr, daß dies durch irgend einen nicht ganz tadellosen Hahn oder eine schlechte Stelle im Glas geschieht, ist so groß, daß man sich beim Erscheinen minimaler Spuren Helium nur dann trauen kann, seine Herkunft aus der Luft mit Bestimmtheit zu verneinen, wenn die Absorptionsmittel so eingestellt sind, daß in diesem Fall gleichzeitig mit dem Helium auch Neon in der Spektralröhre vorhanden sein müßte.

Helium nicht-atmosphärischer Herkunft nehmen wir also nur dann an, wenn es entweder völlig frei von Neon ist oder im gemeinsamen Spektrum die Neon-Linien viel schwächer auftreten, als ihrem Verhältnis in einem Neon-Helium-Gemisch aus Luft entspricht. Ein absolutes Fehlen der Neon-Linien ließ sich nicht in allen unseren Versuchen erreichen, da die spektroskopische Empfindlichkeit des Heliums gegen eine Verunreinigung mit Neon außerordentlich groß ist; wenige Prozent Neon, die dem Helium beigemischt sind, haben bereits das Erscheinen der meisten Neon-Linien zur Folge. Doch läßt sich, wenn die Menge des Neons prozentual sehr gering ist, aus dem Charakter des Spektrums noch mit Sicherheit erkennen, daß die Hauptmenge des Gases Helium ist.

Um die Leistungsfähigkeit unserer Methode der Helium-Bestimmung zu prüfen, haben wir die Helium-Bildung aus dem aktiven Niederschlag des Thoriums – die wegen seiner α-Strahlung selbstverständlich ist, aber mit den bisherigen Methoden experimentell nicht erfaßt werden konnte – nachzuweisen versucht. Dies ist uns ohne jede Schwierigkeit gelungen. Aus einem Präparat Thorium B + Thorium C von 3 mg Radium-Äquivalent[2] erhielten wir ein glänzendes Helium-Spektrum. Wie sich leicht berechnen ließ, betrug die hier nachgewiesene Helium-Menge 10-7 ccm. Da mindestens der zehnte Teil aber in unserer Capillare qualitativ noch mit Sicherheit als Helium erkennbar ist, kommen wir zu einer Empfindlichkeits-Grenze unseres Verfahrens von mindestens 10-8 ccm. Wir glauben, daß das schwächste deutliche Auftreten der grünen Helium-Linie λ = 5016 Å.-E., an deren Erscheinen wir die kleinsten Mengen Helium erkennen konnten, einer noch geringeren Größenordnung entspricht, doch haben wir diese Empfindlichkeits-Schwelle unseres Verfahrens noch nicht genauer festgestellt, da wir bei den entscheidenden Versuchen den Helium-Nachweis nicht bis zu dieser äußersten Grenze anspannen mußten.

Es sei bei dieser Gelegenheit erwähnt, daß die Ausarbeitung einer möglichst leistungsfähigen und dabei doch einfachen Methode zur Helium-Bestimmung auch zur Untersuchung verschiedener anderer, mit dem Helium zusammenhängender Fragen von Nutzen ist. So hat das Verfahren Hrn. Günther ermöglicht, den Helium-Gehalt von Eisen-Meteoriten zu bestimmen, deren Radium-Gehalt nur 5 × 10-14 g pro Gramm Substanz betrug. Wir waren dadurch in der Lage, die unseres Wissens erste Altersbestimmung eines Meteoriten auszuführen; wir erhielten für den Meteoriten Mount Joy ein Minimalalter von 600 Millionen Jahren[3].

Ein anderes Gebiet, auf dem sich unsere Methode mit geringen Modifikationen ebenfalls bewährt hat, ist die Untersuchung von Erdgasen auf ihren Helium-Gehalt. Während bisher dazu mehrere Liter oder wenigstens mehrere Hundert Kubikzentimeter der Gase verwendet wurden, hat Hr. Gehlen Analysen mit einigen Kubikzentimetern ausgeführt. Dies bedeutet eine wesentliche Erleichterung namentlich für die Beschaffung der Proben. Als interessantestes Ergebnis einer Untersuchungsreihe über den Helium-Gehalt verschiedener Gasquellen sei erwähnt, daß wir in einem deutschen Gasvorkommen einen Helium-Gehalt gefunden haben, welcher 10-mal so groß ist wie der der helium-reichsten Erdgas-Quelle, die bisher in Deutschland bekannt war. Die Quelle kommt mit ihrem Gehalt von 0.19 % Helium jenen Quellen in Canada, aus denen Helium technisch gewonnen wird und die einen Gehalt von 0.33 % besitzen, sehr nahe. Eine Untersuchung, ob auch bei dieser deutschen Quelle die technische Gewinnung von Helium lohnt, ist im Gang.

3. Nachprüfung älterer Angaben über künstliche Helium-Bildung.

Obwohl die Mehrzahl der in der Literatur vorliegenden Behauptungen über eine Helium-Bildung bei elektrischen Entladungen bereits durch Untersuchungen widerlegt ist, die experimentell sorgfältiger sind als jene Arbeiten, welche zu den positiven Resultaten geführt hatten, schien es uns doch der Mühe wert, mit unserer besonders empfindlichen Methode einzelne dieser Angaben nachzuprüfen.

So war von Strutt die Frage offen gelassen worden, ob beim Bombardieren gewisser Salze mit Kathodenstrahlen vielleicht doch genügende Mengen Helium entstehen, um – wie dies J.J.Thomson behauptet hatte – durch die Methode der positiven Strahlen, wenn auch nicht spektroskopisch, nachgewiesen zu werden. Aus den Angaben Thomsons läßt sich aber berechnen, daß die in seinem Kanalstrahl-Apparat zur Erkennung ausreichende Menge Helium auch zu einem spektroskopischen Nachweis in unserer Apparatur genügen müßte. Hr. Gehlen, der die Nachprüfung der Versuche unternahm, konnte aber nach langem Bombardieren der Salze spektroskopisch nicht die geringste Menge Helium feststellen.

Wir haben ferner Wasserstoff im Ozonisator durch viele Stunden dunklen elektrischen Entladungen ausgesetzt. Wir wählten diese Form der elektrischen Energie-Zufuhr, weil man hier elektrodenlos und unter sorgfältigem Ausschluß aller Luftspuren arbeiten und den Druck des Gases, sowie die Spannung und Stromstärke in relativ weiten Grenzen variieren kann. Auch im Ozonisator haben wir niemals die geringste Helium-Bildung feststellen können.

Endlich haben wir auch, in enger Anlehnung an die von einzelnen Forschern als helium-bildend beschriebenen Verfahren, durch Wasserstoff in einem Geißler-Rohr mit Aluminium-Elektroden stundenlang starke elektrische Entladungen geleitet; auch hier war das Ergebnis der Prüfung auf Helium stets vollkommen negativ. Wir schließen uns daher in der Frage der elektrischen Bildung von Helium aus Wasserstoff der Ansicht derer an, welche die Helium-Entstehung in nachweisbarer Menge leugnen.

4. Entstehung von Helium bei der Einwirkung von Palladium auf Wasserstoff.

Den eingangs erwähnten Gedanken, Wasserstoff durch Einwirkung von Palladium in Helium zu verwandeln, haben wir zunächst in der Form apparativ zu verwirklichen gesucht, daß wir Wasserstoff in möglichst großen Mengen – bis über 1 Liter – durch heißes Palladium hindurchströmen ließen, in der Erwartung, daß vielleicht im Moment des Austritts ein Bruchteil der in unregelmäßiger Anordnung und relativ hoher Konzentration vorhandenen Protonen und Elektronen sich nicht zu Wasserstoffatomen, sondern zu Heliumkernen zusammenfügen würde. Die Hauptmenge des durch eine rotglühende Palladium-Capillare in unsere Apparatur gelangenden Wasserstoffs wurde durch erhitztes Calcium gebunden oder durch eine zweite Palladium-Capillare gegen Vakuum ausströmen gelassen, der Rest in der oben beschriebenen Weise durch Verbrennen mit Sauerstoff entfernt, und die übrig bleibenden Gase spektroskopisch untersucht. Die Apparatur war immerhin so kompliziert, daß es sehr schwer war, Luft so vollständig auszuschließen, daß sie sich nicht bei der Empfindlichkeit unseres Nachweis-Verfahrens durch spurenweise Anwesenheit von Neon im Spektralrohr zu erkennen gegeben hätte; der Neon-Gehalt von 1 cmm Luft, also eine Menge von 1.8 × 10-8 ccm Neon, stört bereits die Reinheit der Versuche. Bei einzelnen Experimenten gelang es aber, das Eindringen von Luft völlig zu verhindern. In diesen Fällen waren gelegentlich einige Helium-Linien schwach zu sehen, sie genügten aber nicht, uns von der Wirksamkeit unserer Palladium-Capillare in bezug auf Helium-Bildung zu überzeugen, vor allem deswegen, weil keine Proportionalität zwischen der Stärke des Auftretens der Helium-Linien und der hindurchgeschickten Wasserstoff-Menge, m. a. W. der Versuchsdauer, zu erkennen war. Wir kamen daher zu dem Schluß, daß beim Hindurchströmen von Wasserstoff durch glühendes Palladium sich keine mit unsern Mitteln sicher feststellbare Helium-Menge bildet.

Immerhin waren die geschilderten Experimente die einzigen, die Andeutungen einer Helium-Bildung zu geben schienen. Und da wir den Eindruck hatten, daß die nach einem Versuch in der Apparatur zurückbleibende Wasserstoff-Menge an der kalten Capillare den Effekt in derselben eben wahrnehmbaren Stärke zeigte, wie viel größere durch die heiße Capillare geschickte Gasmengen, kamen wir auf die Vermutung, daß die Helium-Bildung sich vielleicht an der Oberfläche von Palladium bei Zimmer-Temperatur vollzieht. Wenn diese Vermutung richtig war, mußte sich der Effekt durch eine Vergrößerung der Oberfläche des Palladiums steigern lassen.

Unsere nächsten Versuche stellten wir darum mit verschiedenen Präparaten von Palladium-Mohr, Palladium-Schwamm und Palladium-Asbest an; statt Wasserstoff durch Palladium hindurchzutreiben, ließen wir ihn nun einfach vom Palladium absorbieren und verbrannten ihn nach verschiedenen Zeiten mit Sauerstoff an demselben Palladium-Präparat. Dadurch wurde eine wesentliche Vereinfachung der apparativen Anordnung erzielt, und der Luft-Ausschluß wurde viel leichter als bei den Versuchen mit der glühenden Palladium-Capillare. Gleichzeitig mit der Reinheit unserer Helium-Spektren steigerte sich auch die Stärke der Effekte. Es gelang uns, Präparate herzustellen, die bereits nach Ablauf von 12 Stdn. beim Erhitzen gleichzeitig mit dem Wasserstoff genügend Helium abgaben, um 4-5 Linien des Helium-Spektrums ohne eine Neon-Linie erkennen zu lassen. Bei andern, weniger wirksamen, Präparaten konnten wir ebenso deutliche Helium-Spektren nach Ablauf einiger Tage oder Wochen feststellen, wie wir überhaupt bei diesen Versuchen von Anfang an den Eindruck hatten, daß nunmehr die früher vermißte Proportionalität zwischen Effekt und Versuchsdauer mindestens in groben Zügen vorhanden war. Eine exakte Feststellung dieser Proportionalität ist uns noch nicht möglich gewesen, da wir bis jetzt Helium-Mengen von 10-7 ccm abwärts nur der Größenordnung nach schätzen können, und wir außerdem die Beobachtung machten, daß nicht nur die Wirksamkeit zweier anscheinend ganz gleich behandelter Palladium-Präparate oft verschieden ist, sondern auch jedes einzelne Präparat seine Wirksamkeit im Laufe der Zeit mehr und mehr zu verlieren geneigt ist.

Nun ist es bekannt, daß auch die Aufnahmefähigkeit des Palladiums für Wasserstoff kaum erklärlichen Schwankungen unterliegt und „aktives“ Palladium von selbst allmählich „inaktiv“ wird. Wir haben die Methoden, die zur Wieder-aktivierung von Palladium empfohlen werden, nämlich Erhitzen in Wasserstoff oder Sauerstoff oder einem Gemisch beider oder im Vakuum, auch versucht und tatsächlich in vielen Fällen damit einen Erfolg erzielt; Palladium, welches nicht mehr in merklicher Menge Helium bildete, war nach einer solchen Behandlung auch in diesem Sinn wieder „aktiv“ geworden. Die Parallelität des aktiven Zustands für die Wasserstoff-Bindung mit dem für die Helium-Bildung besteht aber nach unsern bisherigen Erfahrungen nur insofern, als kein Präparat, welches gegen Wasserstoff inaktiv war, Helium bildete; andererseits haben aber auch Präparate, die gut Wasserstoff absorbierten, gelegentlich wenig oder kein Helium geliefert, namentlich dann, wenn wir den Wasserstoff in der Hitze hatten aufnehmen lassen.

Da sich aus den oberflächen-reichen Palladium-Präparaten das Helium erst bei höherer Temperatur völlig entfernen läßt, vermuteten wir, daß in allen solchen Präparaten, die längere Zeit unbenützt bei Zimmer-Temperatur gelegen sind – da sie ja stets etwas Wasserstoff gebunden enthalten – sich Helium nachweisen lassen müsse. Verschiedene, von uns daraufhin untersuchte alte Palladium-Präparate haben ausnahmslos diese Ansicht bestätigt; da sich ohne Erhitzen auch die adsorbierte und okkludierte Luft nicht restlos beseitigen läßt, erhielten wir natürlich kein reines Helium, sondern ein Helium-Neon-Gemisch, in dem die Anreicherung an Helium aber meist sehr deutlich war. Die Helium-Mengen sind, entsprechend der langen Zeitdauer, relativ bedeutend; so gab 1 g eines 50-proz. Palladium-Asbests, den wir vor zwei Jahren von der Firma Kahlbaum bezogen hatten, dessen Herstellungsdatum aber möglicherweise noch weiter zurückliegt, 10-6 ccm praktisch reines Helium.

Da diese Menge, auch verglichen mit der von andern, jahrealten Präparaten gelieferten, abnorm groß war, schien es uns wahrscheinlich, daß dieser Palladium-Asbest auch jetzt noch ungewöhnlich helium-aktiv sei, und wir haben bei ihm ebenso wie bei den von uns selbst hergestellten Präparaten die Neubildung von Helium verfolgt. Er zeigte sich dabei tatsächlich allen unsern eigenen Präparaten überlegen, wie übrigens auch andern Lieferungen von Palladium-Asbest derselben Firma. Mit ihm war es uns möglich, eine Versuchsreihe durchzuführen, auf die wir besonderen Wert legen; wir haben ihn mehrere Tage hindurch in unserer luftdichten Apparatur abwechselnd mit Wasserstoff- und mit Sauerstoff-Beladung stehen gelassen und vor jedem Wechsel der Beladung die in ihm enthaltene Helium-Menge untersucht. Nach 12-stdg. Stehen in Sauerstoff war eine kaum merkliche Menge Helium zu finden, die sich ungezwungen aus dem restlichen Wasserstoff erklären läßt. Nachdem der Palladium-Asbest unmittelbar darauf 5 Stdn. in Wasserstoff gestanden hatte, ergab eine Analyse die 10–100-fache Menge Helium. Wir haben diesen Versuch 3-mal hintereinander mit stets demselben Erfolg durchgeführt. Als wir mit der Untersuchung dieses Palladium-Asbests begannen, war die Helium-Bildung in Wasserstoff von der Größenordnung 10-8–10-7 ccm pro Tag; nach etwa 20-maligem Erhitzen war aber auch dieser Palladium-Asbest inaktiv geworden. Durch eine abwechselnde Sauerstoff- und Wasserstoff-Behandlung bei verschiedenen Temperaturen hat er die Fähigkeit zur Helium-Bildung wiedererhalten, aber nicht in demselben Maß wie anfangs; er lieferte pro Tag nur mehr 10-9–10-8 ccm Helium, ein Betrag, den auch manche der von uns hergestellten Sorten von Palladium-Asbest erreicht haben.


Außer an Palladium-Präparaten haben wir die Helium-Bildung auch an Platin-Asbest, Platin-Mohr, Platin-Schwamm und an pyrophorem Nickelpulver untersucht. Einzelne Platin-Präparate haben deutlich positive Resultate ergeben, wenn die Effekte auch stets schwächer waren als an den besten Palladium-Präparaten. Die Wirksamkeit von Nickel scheint noch geringer zu sein, doch neigen wir auf Grund der bisherigen Ergebnisse der Ansicht zu, daß auch sie noch nachweisbar ist.

5. Diskussion der Fehlerquellen.

Wir haben uns selbstverständlich immer von neuem die Frage vorgelegt, ob man das Auftreten von Helium in unserer Apparatur nicht durch schon vorhandenes Helium erklären kann.

Am nächsten liegt der Gedanke, daß das Helium aus der Luft stammt. Wie schon oben erwähnt, genügt eine einfache Undichtigkeit der Apparatur nicht zur Erklärung, da dann Helium und Neon im Luft-Verhältnis anwesend sein müßten; Helium aus Luft kann nur dann zur Deutung herangezogen werden, wenn man einen Mechanismus aufzeigen kann, der eine Fraktionierung zugunsten des Heliums bewirkt.

Ein solcher Mechanismus kann aber unter Umständen vorhanden sein. Während Glas bei Zimmer-Temperatur für die Dauer unserer Versuche genügend helium-dicht ist, läßt es bei erhöhter Temperatur sehr merkbare Mengen dieses Gases durch[4]; Neon wird in so viel geringerem Maße hindurchgelassen, daß man aus atmosphärischer Luft durch einmaliges Passierenlassen durch heißes Glas fast neon-freies Helium gewinnen kann[5]. Wir haben daher dafür Sorge getragen, daß der einzige Teil unserer Apparatur, welcher kurze Zeit erhitzt werden muß – das Röhrchen mit dem Palladium-Präparat zum Zweck des Verbrennens des Wasserstoffs und Austreibens des Heliums – sich von einem Vakuum-Mantel umgeben unter Wasser befindet. Wie zahlreiche Leerversuche gezeigt haben, wird dadurch das Eindringen von Helium aus der Luft völlig vermieden.

Eine zweite Art, in welcher Glas Helium und  Neon fraktioniert trennen kann, die mit der ersten nahe verwandt ist, aber die Versuche wieder in etwas anderer Weise zu stören vermag, beruht auf der Fähigkeit des Glases, Helium aus einem Helium-Neon-Gemisch selektiv zu adsorbieren und im weiteren Verlauf zu lösen. Wir haben Versuche mit Glasröhren angestellt, die mehrere Tage mit Neon-Helium im Luft-Verhältnis von 1/3  Atmosphäre Gesamtdruck gefüllt waren; beim Erhitzen setzen so vorbehandelte Glasröhren fast reines Helium in Freiheit. Die Helium-Mengen, die Glas aus atmosphärischer Luft aufnehmen kann, sind aber so gering, daß – wie ebenfalls Leerversuche zeigten –, die Glasröhrchen, in denen sich die Palladium-Präparate befanden, keinen merklichen Beitrag zu den in den Versuchen gefundenen Helium-Mengen liefern konnten.

Die Erscheinung, daß die Palladium-Präparate kurz nach der Herstellung am besten wirken, legt den Verdacht nahe, daß diese Präparate sich bei ihrer Darstellung mit Helium aus Luft sättigen und dieses Helium dann erst nach mehrmaligem Erhitzen abgeben und sich so erschöpfen. Nun läßt sich aber zeigen, daß Palladium – ganz im Gegensatz zum Glas – nicht die Fähigkeit hat, Helium selektiv zu adsorbieren, ebensowenig wie es Helium lösen oder diffundieren lassen kann. Wir haben uns durch Versuche überzeugt, daß die Helium-Mengen, die von Palladium aus einem Neon-Helium-Gemisch von 1/3 Atmosphäre Druck gleichzeitig mit Neon aufgenommen werden, schon bei 1-maligem kurzem Erhitzen bis unterhalb der Grenze der Nachweisbarkeit abgegeben werden; dabei ist es gleichgültig, ob die Präparate so hergestellt werden, daß man Palladoamminchlorid in dem erwähnten Gasgemisch thermisch zersetzt, das Palladium-Metall also gewissermaßen in statu nascendi mit dem Helium in Berührung kommt, oder ob man aus Lösungen gewonnenen Palladium-Asbest nachträglich in einer Neon-Helium-Atmosphäre aufbewahrt. Nun beträgt der Partialdruck des Heliums in Luft nur den 20 000. Teil des bei unseren Versuchen angewandten Partialdrucks; um so weniger können daher Palladium-Präparate, die sich nicht mit Helium von so hoher Konzentration, sondern nur mit Luft in Berührung befanden, Helium in störendem Betrag aufnehmen und so schwer wieder abgeben, wie man es zur Erklärung unserer Versuche annehmen müßte. Auch Asbest hat, wie wir fanden, nicht die Fähigkeit, Helium aus einem Neon-Helium-Gemisch anzureichern; der krystallisierte Asbest verhält sich also in dieser Beziehung ganz anders als die amorphen Silicate Glas und Quarzglas.

In die Apparatur eingeführt wurden während der Versuche nur Wasserstoff und Sauerstoff. Beide wurden aus einem besonders konstruierten Elektrolyseur entnommen, welcher völlig luftdicht und vor Gebrauch durch Evakuieren und stundenlanges In-Betrieb-Halten von den letzten Resten Luft befreit worden war. Beide Gase enthielten nach unseren Leerversuchen weniger als 1/1000 % Luft. Aber selbst wenn man, etwa als Folge einer plötzlich entstandenen Undichtigkeit, eine Verunreinigung der Gase durch Luft annehmen wollte, wäre das Auftreten des neon-freien Heliums noch nicht erklärt, da hier wieder der Fraktionierungs-Mechanismus fehlt; daß nicht etwa Palladium das Neon selektiv verschlucken und dadurch das Helium im Gasrest anreichern kann, haben wir noch dadurch bewiesen, daß wir Palladium-Präparate, die beim Erhitzen Helium abgaben, in unserer geschlossenen Apparatur vollständig auflösten und die in Freiheit gesetzten Gase analysierten; auch dabei ergab sich ein Überschuß von Helium und nicht von Neon über das Luft-Verhältnis.

Daß schließlich nicht etwa das Palladium – infolge einer Art radioaktiven Zerfalls – Helium entwickelt, haben wir durch das Auflösen möglichst alter Palladium-Bleche und Untersuchung der entstehenden Gase gezeigt. Da Palladium für Helium undurchlässig ist, hätte sich das Helium im Innern speichern müssen. Auch in einem 10 Jahre alten Palladium war aber kein Helium nachweisbar, von einer an der Grenze der Beobachtungsmöglichkeit liegenden Spur abgesehen, die sich auf die Wirkung des an der Oberfläche gebundenen Wasserstoffs zurückführen läßt.

Auch von den alten Platin-Blechen, die wir untersuchten, haben die meisten kein Helium gegeben; in einem Blech fanden wir allerdings merkliche Mengen. Worauf dieser Unterschied gegenüber den anderen beruht, können wir vor Anstellung weiterer Versuche nicht angeben; es mag sein, daß dieses stark benutzte Blech Hohlräume enthielt, so daß sich an einer „inneren Oberfläche“ des Platins Helium im Lauf der Jahre zwar bilden, aber nicht entweichen konnte.

6. Diskussion des Ergebnisses.

Da wir demnach alle Fehlerquellen, die uns in Betracht zu kommen scheinen, als zur Erklärung der beobachteten Effekte nicht ausreichend befunden haben, gelangen wir zu dem Ergebnis, daß das in unserer Apparatur auftretende Helium seine Entstehung der Einwirkung des Palladiums auf Wasserstoff verdankt. Namentlich das Ausbleiben der Helium-Bildung bei Sauerstoff-Beladung des Palladiums, und das Wiedereintreten bei Wasserstoff-Beladung scheint uns keine andere Deutung zuzulassen. Denn selbst wenn man – entgegen dem im vorhergehenden Abschnitt Gezeigten – annehmen wollte, daß das Palladium Helium enthält, müßte man jetzt noch die weitere Hypothese hinzufügen, daß dieses Helium nur durch Wasserstoff daraus in Freiheit gesetzt werden kann. Daß aber Wasserstoff nicht die Fähigkeit hat, Palladium für Helium durchlässig zu machen, haben wir in einem eigenen Versuch bewiesen: eine Palladium-Capillare, die in einem Gemisch von reinem Helium (aus Monazitsand) und Wasserstoff geglüht wurde, ließ ebensowenig Helium durch, wie wenn das Glühen in Helium ohne Wasserstoff erfolgte.

Daß das Helium, welches bei der gegenseitigen Einwirkung von Wasserstoff und Palladium entsteht, seine Bildung im Sinn unserer Grundannahme einer katalytischen Begünstigung der dem Wasserstoff innewohnenden Tendenz, sich in Helium zu verwandeln, verdankt, läßt sich aus den Experimenten direkt nicht folgern. Wenn man sich aber überhaupt zu der Annahme einer Neuentstehung des Heliums entschließt, bleibt dies weitaus die einleuchtendste Erklärung. Dem Palladium wird man um so mehr nur die Rolle eines Katalysators zuschreiben, als Platin zwar schwächer, aber qualitativ ebenso wirkt.

Die Fortsetzung der Arbeit muß hauptsächlich zu ergründen trachten, worauf die verschieden gute Wirksamkeit verschiedener Palladium-Präparate – und ein und desselben Präparats zu verschiedenen Zeiten – beruht. Es scheint uns verfrüht, heute schon einen Zusammenhang mit den aus anderen Gründen gemachten Hypothesen allotroper Modifikationen des Palladiums zu suchen; auch die Vermutung, daß nur die Adsorption des Wasserstoffs wirksam, seine Absorption aber unwirksam ist – für die uns manches zu sprechen scheint –, können wir nur mit Vorbehalt äußern. Erst auf Grund einer Vermehrung des experimentellen Materials wird sich auch überblicken lassen, wie weit man die Reaktionsgeschwindigkeit der Helium-Bildung zu steigern hoffen darf.

Eine weitere wichtige Frage, die wir noch ungeklärt lassen müssen, ist die nach dem Verbleib der großen Energiemengen, die bei der Helium-Bildung höchstwahrscheinlich frei werden. Es ist öfters ausgesprochen worden, daß jede Helium-Bildung sich sofort durch eine gewaltige Wärme-Entwicklung verraten müßte. Nun sind aber die zu erwartenden Energiemengen zwar relativ – d. h. verglichen mit den bei chemischen Reaktionen frei werdenden – ungeheuer groß, ihrem absoluten Betrag nach aber bei den in unseren Versuchen gebildeten Mengen doch voraussichtlich noch zu gering, um überhaupt nachgewiesen zu werden. Bei der Bildung von 10-8 ccm Helium ist eine Wärmetönung von 0.28 cal zu erwarten; wenn man aber Palladium mit Wasserstoff belädt, treten viel bedeutendere Wärmeeffekte auf, die teils als Absorptionswärme, teils als Bildungswärme einer chemischen Verbindung gedeutet werden und zum Teil auch ihren Ursprung der Verbrennung von Sauerstoff-Resten verdanken können. Neben diesen Effekten wird eine Wärmetönung als Folge der Bildung einer so kleinen Helium-Menge sehr schwer feststellbar sein.

Nun besteht aber auch die Möglichkeit, ja es ist aus theoretischen Gründen sogar wahrscheinlicher, daß die Energie bei der Helium-Bildung zunächst nicht als Wärme, sondern als Strahlung frei wird. Wir haben öfters versucht, neben mit Wasserstoff beladenen Palladium-Präparaten eine γ-Strahlung festzustellen oder eine Aussendung von Ionen beim Überleiten von Wasserstoff über Palladium, aber weder bei den ersteren Versuchen, noch – im Gegensatz zu Angaben der Literatur – bei den letzteren irgend eine Wirkung in den Elektroskopen erhalten. Die Versuche sollen mit verfeinerten Hilfsmitteln fortgesetzt werden, doch ist ein Erfolg dieser Messungen um so unsicherer, als selbst im Fall, daß die Vereinigung der Wasserstoffatome zu Helium unter Strahlungsaussendung vor sich geht, wir diese Strahlung möglicherweise nicht finden können; es ist denkbar, daß sie so durchdringend ist, daß sie vor wiederholtem Eintritt des Compton-Effektes sich in unseren Meßapparaten nicht fassen läßt.



Der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft danken wir für die gewährten Mittel, dem „Sauerstoffwerk Borsigwalde der Gesellschaft für Lindes Eismaschinen“ für die Überlassung von flüssiger Luft und den HHrn. cand. chem. Heinz Gehlen und  Paul Günther für freundliche Hilfe bei verschiedenen Versuchen.

Fußnoten

  1. Etwa durch die Fraktionierung durch heißes Glas (siehe weiter unten).
  2. Für die freundliche Überlassung des Präparates sprechen wir Hrn. O. Hahn und Frl. Lise Meitner vom Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie in Dahlem unsern herzlichen Dank aus.
  3. Für die Überlassung einiger Gramme dieses Meteoriten sind wir Hrn. Direktor H.Michel vom Naturhistorischen Staatsmuseum in Wien zu bestem Dank verpflichtet.
  4. In speziellen Untersuchungen haben wir festgestellt, daß auch bei Zimmer-Temperatur Glas nicht als völlig helium-dicht angesehen werden darf, wenn man mit einer so empfindlichen Nachweis-Methode arbeitet; doch ist in unserer Apparatur die durch das Glas eindringende Menge erst nach etwa einer Woche eben merklich. Bei Versuchen, die sich über Tage oder Wochen erstreckten, haben wir die Vorsicht gebraucht, die in Betracht kommenden Glasteile der Apparatur unter Wasser zu halten, was zur Folge hat, daß auch die in Monaten eindringende Helium-Menge unter der Grenze unseres Nachweis-Verfahrens bleibt.
  5. D. R. P. 431 507.