Lutz Jaitner: Kalte Fusion, LENR, Plasma, z-Pinch, Kugelblitze

Aus LENR-Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Video
Jaitner-heindl-interview 320x180.jpg
Lutz Jaitner (rechts) im Interview bei Eduard Heindl
Plattform youtube.com
Kanal Eduard Heindl
URL youtube.com/watch?v=5JqKQWoWLKk
Datum 15.03.2025
Länge 1 Stunde, 14 Minuten, 37 Sekunden


Zusammenfassung

Die Kalte Fusion, auch als Low-Energy Nuclear Reactions (LENR) bekannt, bleibt eines der kontroversesten und gleichzeitig faszinierendsten Forschungsfelder der modernen Physik. In einem ausführlichen Interview auf dem YouTube-Kanal „Eduard Keindl“ erläutert der Physiker Lutz Jaitner, der sein Diplom an der Universität Hamburg erwarb und später als Entwickler und Berater für internationale Unternehmen wie SAP und Cisco tätig war, die historischen Wurzeln, experimentellen Herausforderungen und theoretischen Fortschritte dieses Phänomens. Seit 2006 widmet sich Jaitner intensiv der Erforschung von LENR und hat eine neuartige Theorie entwickelt, die auf sogenannten Kondensierten Plasmoiden (Condensed Plasmoids, CP) basiert.

Der historische Hintergrund: Von den frühen Entdeckungen zu Fleischmann und Pons

Die Geschichte der Kalten Fusion beginnt nicht erst mit dem vielbeachteten Experiment von Martin Fleischmann und Stanley Pons im Jahr 1989, sondern hat tiefere Wurzeln in der Physik des frühen 20. Jahrhunderts. Jaitner verweist auf Beobachtungen aus den 1920er Jahren, als Wissenschaftler bei Experimenten mit Glimmentladungen in Wasserstoffgas unerwartete Energieüberschüsse und Transmutationen von Elementen mit einer Massenzahl von 3 feststellten. Diese Phänomene widersprachen dem damaligen physikalischen Verständnis, insbesondere dem Energieerhaltungssatz, und wurden aus Angst vor Reputationsverlust nur selten publiziert. Stattdessen kursierten solche Beobachtungen lediglich unter Kollegen, ohne in wissenschaftlichen Zeitschriften dokumentiert zu werden. Jaitner betont, dass die damalige Wissenschaft oft dazu neigte, unerklärliche Phänomene zu ignorieren, wenn sie nicht ins herrschende Weltbild passten.

Die Entdeckung der Radioaktivität durch Wissenschaftler wie Lord Rutherford und die Formulierung von Einsteins E = m ∙ c2 im Jahr 1905 veränderten die Perspektive grundlegend. Diese Entwicklungen zeigten, dass Materie in Energie umgewandelt werden kann, und legten den theoretischen Grundstein für die spätere Erforschung von Kernprozessen. Dennoch blieben die frühen Beobachtungen von Energieüberschüssen in Plasmen weitgehend unbeachtet, da sie weder mit der klassischen Elektrodynamik noch mit der Quantenmechanik erklärt werden konnten.

Der entscheidende Moment kam 1989, als Fleischmann und Pons an der University of Utah in Salt Lake City ein Experiment veröffentlichten, das weltweit Schlagzeilen machte. Inspiriert von einem Geophysiker, der erhöhte Tritiumwerte als Frühindikator für vulkanische Aktivität beobachtete, führten die beiden Elektrochemiker eine Elektrolyse mit schwerem Wasser (Deuteriumoxid) und Palladiumelektroden durch. Ein früher, nicht publizierter Versuch endete dramatisch: Ein massives Palladiumstück, das über Nacht mit hoher Stromstärke elektrolysiert wurde, löste eine Explosion aus, die einen schweren Labortisch durchschlug und ein Loch im Boden hinterließ. Dieser Unfall überzeugte Fleischmann und Pons, dass sie einem bedeutenden Energieprozess auf der Spur waren.

In ihren späteren, veröffentlichten Experimenten verwendeten sie dünne Palladiumfolien, um die Reaktion zu kontrollieren, und maßen eine Überschusswärme, die die eingesetzte elektrische Energie um einige Prozent überstieg. Zudem detektierten sie die Bildung von Helium-4, was auf eine Kernreaktion hindeutete, obwohl die erwarteten Neutronen und die Gammastrahlen weitgehend ausblieben. Diese Ergebnisse lösten eine weltweite Welle von Replikationsversuchen aus, doch die mangelnde Reproduzierbarkeit und die unklare theoretische Grundlage führten zu einer breiten Ablehnung. In der Öffentlichkeit und in Teilen der Wissenschaft wurde die Kalte Fusion als Betrug oder zumindest als „Voodoo-Wissenschaft“ abgetan.

Die Reproduzierbarkeit – ein zentrales Hindernis

Ein Kernproblem der Kalten Fusion ist die unzuverlässige Reproduzierbarkeit, die Jaitner im Interview ausführlich diskutiert. Die Experimente von Fleischmann und Pons zeigten, dass die Überschusswärme erst nach einer unvorhersehbaren Inkubationszeit auftrat, die von Stunden bis Tagen reichte. Diese Zeitspanne war notwendig, um das Palladium mit Deuterium zu sättigen, doch die genauen Bedingungen für den Eintritt des Effekts blieben unklar. Die Ergebnisse schwankten stark, abhängig von der Qualität des Palladiums, der Stromdichte und anderen unbekannten Parametern. Jaitner hebt hervor, dass viele Replikationsversuche, insbesondere an renommierten Institutionen wie dem MIT, negative Ergebnisse lieferten, was den Ruf der Kalten Fusion nachhaltig schädigte.

Dennoch gab es auch zahlreiche positive Bestätigungen, die laut Jaitner systematisch unterdrückt oder ignoriert wurden. Er spricht von politischem Druck, Manipulation und gezielter Desinformation, die dazu führten, dass diese Ergebnisse nicht in anerkannten Fachzeitschriften veröffentlicht wurden. Stattdessen erschien die Arbeit von Fleischmann und Pons in einem weniger angesehenen Journal, was ihre Glaubwürdigkeit weiter untergrub. Jaitner kritisiert, dass die wissenschaftliche Gemeinde außergewöhnliche Ergebnisse, die dem etablierten physikalischen Verständnis widersprechen, oft ablehnt, anstatt sie neugierig zu untersuchen. Diese Haltung spiegelt sich auch in der historischen Darstellung des Themas wider, etwa in früheren Wikipedia-Einträgen, die eher als Verriss denn als neutrale Darstellung wahrgenommen wurden.

Eine theoretische Neuausrichtung: Kondensierte Plasmoide

Jaitner entwickelt eine alternative theoretische Erklärung, die sich von der ursprünglichen Hypothese der Fusion im Kristallgitter des Palladiums abgrenzt. Sein Ansatz basiert auf dem Konzept der Kondensierten Plasmoide, einer speziellen Form von Plasma, die durch den z-Pinch-Effekt stabilisiert wird. Der z-Pinch-Effekt beschreibt die Kompression eines stromdurchflossenen Plasmas durch das von ihm selbst erzeugte Magnetfeld. Jaitner erklärt, dass ein Plasmafaden, durch den ein Strom von einigen Hundert bis Zehntausend Ampere fließt, durch magnetische Kräfte so stark komprimiert werden kann, dass ein extrem hoher Druck entsteht. Dieser Druck führt zu einer Verdichtung des Plasmas, sofern die thermische Ausdehnung durch schnelle Abstrahlung von Wärme (z. B. als Licht oder Röntgenstrahlung) verhindert wird.

Ein Kondensiertes Plasmoid entsteht, wenn der Plasmafaden einen Durchmesser im Pikometerbereich erreicht, was eine Materiedichte vom bis zu 100 000-Fachen der normalen Dichte ermöglicht. Jaitner betont, dass dieser Zustand durch quantenmechanische Effekte stabilisiert wird, insbesondere durch den Entartungsdruck, der einem totalen Kollaps der Materie entgegenwirkt. Dieser Druck, bekannt aus der Astrophysik (z. B. bei Weißen Zwergen oder Neutronensternen), entsteht durch die Unmöglichkeit, Elektronen beliebig stark zu komprimieren, da ihre kinetische Energie durch die Heisenbergsche Unschärferelation ansteigt. Zudem spielt die Delokalisierung der Elektronenwellenfunktion entlang der Stromrichtung eine entscheidende Rolle. Während in einem Atom die Wellenfunktion in allen drei Raumrichtungen komprimiert ist, erlaubt die eindimensionale Geometrie des Plasmafadens eine Ausdehnung der Wellenfunktion in der Stromrichtung, was die Kompressionsarbeit in den anderen beiden Richtungen reduziert.

Jaitner berechnet, dass Magnetfelder von bis zu 50 Megatesla entstehen können, vergleichbar mit denen in astronomischen Objekten wie den Quasaren. Diese extremen Bedingungen ermöglichen es, Atomkerne so nahe zusammenzubringen, dass der quantenmechanische Tunneleffekt eine Fusion ermöglicht, trotz der elektrostatischen Abstoßung. Die Materiedichte in diesen Plasmoiden ist so hoch, dass die Fusionsrate signifikant wird, ohne dass Millionen Grad, wie bei der heißen Fusion, erforderlich sind.

Eine Erklärung der experimentellen Rätsel

Die Theorie der Kondensierten Plasmoide löst mehrere zentrale Rätsel der Kalten Fusion. Eines der größten Probleme war die Abwesenheit von Gammastrahlung, die bei typischen Fusionsprozessen erwartet wird. Jaitner erklärt dies durch einen quantenmechanischen Kühlmechanismus: Die Schwingungsenergie angeregter Kerne, die normalerweise in Gammastrahlen emittiert wird, wird stattdessen an die hochdichten Elektronen im Plasmoid übertragen. Da alle Zustände mit niedrigerer Energie bereits besetzt sind (Pauli-Prinzip), wird die Energie bevorzugt in höhere Elektronenzustände übertragen, was den Strom im Plasmoid verstärkt. Dieser Prozess erhält die Stabilität des Plasmoids oder ermöglicht sogar sein Wachstum, wenn die Fusionsrate ausreichend hoch ist.

Dieser Mechanismus erklärt auch, warum hier Helium-4 anstelle von Helium-3 oder Neutronen dominiert. Bei einer Deuterium-Deuterium-Fusion entsteht zunächst ein angeregtes Helium-4, das typischerweise durch die Emission eines Neutrons, Protons oder Gammastrahls zerfällt. Die schnelle Kühlung durch Elektronen unterdrückt jedoch die ersten beiden Zerfallskanäle, während die Gammastrahlung durch die geringe Emissionswahrscheinlichkeit unwichtig wird. Jaitner hat diesen Kühlprozess semiklassisch berechnet und zeigt, dass er im Nahfeld der schwingenden Kerne (definiert durch die Wellenlänge der Gammastrahlen) effizient genug ist, um die beobachtete Unterdrückung der Gammastrahlung zu erklären.

Ein weiteres Phänomen, das Jaitner mit seiner Theorie verbindet, sind Kugelblitze. Diese seltenen, leuchtenden Plasmabälle, die bei Gewittern beobachtet werden, zeigen strukturelle Ähnlichkeiten mit Kondensierten Plasmoiden. In einem Experiment, bei dem dünne Titanstreifen unter Wasser durch Strompulse explodierten, entwichen Kugelblitze aus einem nicht druckdichten System. Filmaufnahmen zeigten, dass diese Objekte eine filamentöse Struktur aus dünnen Plasmafäden aufwiesen, was Jaitners Modell stützt. Die Stabilität von Kugelblitzen über Sekunden hinweg deutet darauf hin, dass Fusionsenergie die Elektronenbewegung antreibt, was ihre Selbsterhaltung ermöglicht.

Die experimentellen Beweise und das Phänomen des Micro-Sparking

Jaitner stützt seine Theorie auf eine umfassende Auswertung experimenteller Daten, insbesondere mikroskopischer Aufnahmen von Elektrodenoberflächen nach Hochstrom-Glimmentladungen. Diese zeigen exotische, oft periodische Strukturen, die weder Kratzer noch bekannte physikalische Phänomene darstellen. Jaitner interpretiert sie als Spuren Kondensierter Plasmoide, die durch hohe Stromdichten erzeugt werden. Ein Schlüsselfaktor ist das Phänomen des „Micro-Sparking“, das er als Hauptursache für die Überschusswärme in den Experimenten von Fleischmann und Pons identifiziert.

Bei hohen Stromdichten bildet sich an der Kathode eine dünne Schicht, der sogenannte Kathodenfall, in dem hohe elektrische Feldstärken auftreten. In dieser Schicht kommt es zu kleinen, sporadischen Lichtblitzen – dem Micro-Sparking –, die durch lokale Durchschläge verursacht werden. Diese Funken erzeugen winzige Plasmoide, die für die beobachteten Kernreaktionen verantwortlich sind. Jaitner betont, dass dieser Mechanismus unabhängig vom Palladium-Gitter ist und auch in anderen Materialien, wie etwa Nickel, beobachtet wurde. Tatsächlich zeigte ein Experiment von Professor F. Piantelli von 1989, dass Kalte Fusion auch mit Nickel und leichtem Wasserstoff (Protium) möglich ist, was die Bedeutung des Isotopeneffekts unterstreicht: Deuterium ist aufgrund seiner höheren Beweglichkeit im Metallgitter effektiver.

Ein zweiter Effekt tritt in dünnen Filmen auf, wo ein „Two-Fluid-Plasma“ aus Elektronen und beweglichen Deuterium-Ionen durch kurze Strompulse zum Kollaps gebracht werden kann. In solchen Systemen löst die Anregungsenergie eine so heftige Kernreaktion aus, dass der Film zerstört wird. Jaitner sieht hierin zwei parallele Mechanismen: Einerseits das Micro-Sparking in Elektrolyse-Experimenten, andererseits die Kondensation eines Two-Fluid-Plasmas in Festkörpern. Beide Mechanismen erfordern hohe Stromdichten und eine eindimensionale Geometrie, um den z-Pinch-Effekt zu maximieren.

Zur wissenschaftlichen Akzeptanz und der Forschungsförderung

Jaitners Theorie wurde in einer abgespeckten Version in einer peer-reviewten Publikation veröffentlicht (DOI: 10.70923/001c.72557), wobei die Grundthesen nicht beanstandet wurden. Dennoch bleibt die Akzeptanz in der wissenschaftlichen Gemeinde begrenzt, was teilweise auf die historische Kontroverse und die Fokussierung vieler LENR-Forscher auf Gittereffekte zurückzuführen ist. Seit 2019 arbeitet Jaitners Gruppe an experimentellen Verifikationen und der Kommerzialisierung, mit dem Ziel, reproduzierbare Energiequellen zu entwickeln. Die Gruppe nutzt Pulselektronik, um hohe Stromstärken und kurze Pulse zu erzeugen, was einen erheblichen technischen Aufwand erfordert.

Das Interview thematisiert auch die Herausforderungen der Forschungsförderung. Jaitner kritisiert die eingeschränkte Forschungsfreiheit in Deutschland, wo Fördermittel oft nach politischen oder wirtschaftlichen Vorgaben verteilt werden. Die Deindustrialisierung durch hohe Energiekosten macht dezentrale, kostengünstige Energiequellen wie LENR politisch brisant. EU-Projekte wie „CleanHME“ erforschen LENR, bleiben jedoch intransparent. Jaitner vermutet monopolistische Interessen großer Unternehmen wie Google, Mitsubishi oder der US Navy, die ihre Ergebnisse unter Verschluss halten. Google etwa veröffentlichte 2019 eine Studie in „Nature“, die LENR eher herunterspielte, obwohl interne Quellen auf positive Ergebnisse hindeuten.

Gesellschaftliche Implikationen und ein Ausblick

Jaitner ist optimistisch, dass die Kalte Fusion innerhalb von fünf Jahren einen Durchbruch erleben könnte, sobald große Akteure den Markt betreten. Er verweist auf erste Ansätze, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren, etwa durch Publikationen von Wissenschaftlern wie Florian Metzler oder Beiträge von Sabine Hossenfelder. Ein solcher „Urknall“ könnte zahlreiche Startups ermutigen, ihre Entwicklungen zu präsentieren. Jaitner plädiert für Transparenz und offene Wissenschaft, um die Fehler der Vergangenheit – Geheimhaltung und Konkurrenz – zu vermeiden. Er betont, dass die Geheimhaltung in den letzten 30 Jahren den Fortschritt behindert hat und dass eine offene Zusammenarbeit zwischen Forschern notwendig ist, um kommerzielle Anwendungen zu realisieren.

Die Theorie der Kondensierten Plasmoide bietet eine plausible Erklärung für die Phänomene der Kalten Fusion, die historische Beobachtungen, moderne experimentelle Befunde und quantenmechanische Prinzipien integriert. Sie verbindet klassische Plasmaphysik mit astrophysikalischen Konzepten und eröffnet neue Perspektiven für die Energieerzeugung. Trotz wissenschaftlicher und politischer Hürden bleibt das Feld ein vielversprechendes Forschungsfeld, das das Potenzial hat, eine nachhaltige Energiezukunft zu gestalten.