Egal, ob Kalte Fusion oder Niederenergetische Kernreaktionen, Forscher der US Navy haben den Fall wieder aufgenommen

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Whether Cold Fusion or Low-Energy Nuclear Reactions, U.S. Navy Researchers Reopen Case


IEEE SPECTRUM
IEEE Spectrum
22. März 2021
Michael Koziol
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Angespornt durch fortgesetzte anomale nukleare Ergebnisse, arbeiten jetzt mehrere Labore daran, dieser Sache auf den Grund zu gehen

Nach mehr als drei Jahrzehnten schwelender Debatten in Fachkreisen der Physik sowie in Randgruppen der Forschungslandschaft will die Kontroverse um die Kalte Fusion (manchmal auch als Niederenergetische Kernreaktionen bezeichnet, oder kurz LENR) nicht verstummen. Einerseits hat es den begeisterten Anhängern bisher an konsistenten und reproduzierbaren Ergebnissen gemangelt und ebenso an einer fundierten theoretischen Untermauerung, die für eine Akzeptanz im Mainstream notwendig gewesen wäre. Andererseits können die vehementen Kritiker die anomalen Ergebnisse, zu denen es immer wieder gekommen ist, nicht mehr völlig ausblenden, wie etwa die Beweise für die sogenannte „Gittereinschlussfusion“, welche im letzten Jahr von einer Forschergruppe am Glenn Research Center der NASA vorgelegt wurden.

Wissenschaftler der Indian Head Division vom Naval Surface Warfare Center haben eine Reihe von Labors der Navy, der Army und des National Institute of Standards and Technology (NIST) zusammengebracht, um gemeinsam den Versuch zu unternehmen, diese Debatte abzuschließen. Die Laboratorien werden gemeinsame Experimente durchführen, um so zu überprüfen, ob an der Idee von der Kalten Fusion tatsächlich etwas dran ist – ob es sich hierbei also lediglich um seltsame chemische Wechselwirkungen handelt, oder ob sich in diesen umstrittenen Experimenten ein völlig andersartiges Phänomen ereignet.

Im Jahr 1989 hatten der Elektrochemiker Stanley Pons und der Chemiker Martin Fleischmann die Ergebnisse ihrer Experimente veröffentlicht und dabei erklärt, im Rahmen eines einfachen Versuchsaufbaus mit Palladium und schwerem Wasser bei Zimmertemperatur eine außergewöhnliche Wärmeentwicklung sowie Nebenprodukte einer Fusion wie beispielsweise Neutronen beobachtet zu haben. Diese Behauptung war, um es einmal vorsichtig auszudrücken, kolossal. Die Fusion stellt normalerweise ein Phänomen dar, das bei extrem hohen Temperaturen und unter einem gewaltigen Druck abläuft. Es erfordert entweder einen ganzen Stern oder, wenn es denn unbedingt auf der Erde funktionieren soll, massive Magnete und eine enorme Menge an Energie. Doch das große Versprechen von der billigen und sicheren Energie im Überfluss wurde schon bald enttäuscht, als es der großen Mehrheit der Wissenschaftler nicht gelungen war, diese Ergebnisse zu reproduzieren.

Gleichwohl tauchten immer wieder interessante Ergebnisse auf. Neben den jüngsten vielversprechenden Forschungsergebnissen der NASA hatte Google bereits 2019 in der Zeitschrift Nature einen Artikel veröffentlicht, in dem das Unternehmen mitteilte, dass es seit dem Jahr 2015 insgesamt 10 Millionen US-Dollar in die Erforschung der Kalten Fusion investiert hat. Dabei habe sich das Unternehmen mit Forschern von Einrichtungen wie dem MIT, der University of British Columbia und dem Lawrence Berkeley National Laboratory zusammengetan. Die Forschergruppe fand zwar keine Beweise für die klassische Kalte Fusion im Sinne von Pons und Fleischmann, wohl aber solche für LENR als einer größeren übergeordneten Kategorie – was darauf hindeutet (wie auch von der NASA-Gruppe berichtet), dass eine Kernfusion an lokalen heißen Stellen im ansonsten raumtemperierten Metall möglich zu sein scheint.

„Den Anstoß gab uns der Google-Artikel, der in Nature erschienen ist“, sagt Carl Gotzmer, Chefwissenschaftler bei der Indian Head. Zu den Aufgaben von Gotzmer gehört es, die Marine über die neuesten wissenschaftlichen Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten. Gotzmer berichtet, dass sich sein Interesse an der Kalten Fusion bzw. an LENR nach seiner Teilnahme an der International Conference on Cold Fusion im Jahr 2003 entwickelt habe. Nach einem vierstündigen persönlichen Gespräch mit Fleischmann und nach Präsentationen aus aller Welt, in denen Beweise für nukleare Transmutationen geliefert wurden, so erzählt er, habe er damit begonnen, dieses Gebiet ernsthaft zu verfolgen.

„Ehrlich gesagt, kann dies für andere Leute, die das im Laufe der Jahre versucht haben, das Ende ihrer Karriere bedeutet haben“, so Gotzmer. Doch das Team von Indian Head befand, dass es als staatliches Labor ein wenig mehr Freiheit besitzt, um ein solch kontroverses Thema anzugehen, solange dies auch die Aussicht auf lohnenswerte wissenschaftliche Ergebnisse bietet.

„Ich bin nicht so sehr besorgt darüber, etwas zu untersuchen, was als kontrovers angesehen wird, solange es sich dabei um fundierte Wissenschaft handelt“, sagt Oliver Barham, ein an diesem Unterfangen beteiligter Projektleiter bei Indian Head. „Der ganze Sinn unserer Bemühungen besteht darin, eine solide Wissenschaft zu betreiben. Wir sind nicht darauf aus, irgendetwas zu beweisen oder zu widerlegen – wir sind darauf aus, ein Team von Wissenschaftlern zusammenzustellen, die sich ernsthaft mit dem Thema beschäftigen wollen.“

Barham beschreibt die Rolle, die die Indian Head bei dem neuen Projekt innehat, als die eines „ehrlichen Maklers“. „Unsere Hauptaufgabe besteht in dem Versuch, die Daten zusammenzutragen, die beispielsweise von der US Naval Academy, dem Army Research Laboratory und dem NIST zur Verfügung gestellt werden“, sagt Barham. Er erklärt, dass die verschiedenen Laboratorien – insgesamt sind fünf an der Untersuchung beteiligt – unterschiedliche Detektoren sowie andere Geräte zur Verfügung stellen können, die für die Erforschung bestimmter Fragestellungen geeignet sind. Die Indian Head wiederum kann dann die Materialien und Forschungsarbeiten zwischen den Laboratorien koordinieren. Und wenn dann die Daten eintreffen, können die Forscher von der Indian Head nicht nur selbst die Datenqualität bewerten, sondern auch gewährleisten, dass die anderen Laboratorien diese Daten ebenfalls für eine eigene Überprüfung zur Verfügung gestellt bekommen.

Die Forscher der US Navy orientieren sich dabei an der Literatur, die in den letzten dreißig Jahren zur Kalten Fusion, zu LENR und zu angrenzenden Themen veröffentlicht wurde. Nach eigenen Angaben hat eine solche Literaturauswertung bereits dazu geführt, dass die für die Experimente geeignetsten Metalle gefunden werden konnten, es bei den Versuchsaufbauten zu keinen Abweichungen gekommen ist und vieles mehr.

Die Forscher hoffen, bis Ende des Jahres ihre ersten Ergebnisse veröffentlicht zu haben. „Ich denke, das Allerwichtigste ist es, jenen Wirkmechanismus aufzudecken, durch den das Phänomen zustande kommt“, sagt Gotzmer. „Denn wenn man diesen Mechanismus verstanden hat, lassen sich daraus wiederum verbesserte Experimente ableiten, mit denen das Phänomen reproduzierbar wird. Es wurden schon zahlreiche Mechanismen vorgeschlagen, doch noch niemand hat bisher tatsächlich vollständig herausgefunden, wie das Ganze im Detail funktioniert.“

Wird es bis zum Jahresende eine große einheitliche Theorie zur Kalten Fusion bzw. zu LENR geben, oder wie auch immer man dies dann nennen mag? Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eher nicht, sagen die Forscher. „Wir haben lediglich die Hoffnung, dass dieses Konsortium von Experten, das wir da zusammengebracht haben, es schaffen wird, ein paar nützliche Analysen zu liefern“, sagt Barham.