Binukleare Atome – Ein Modell zur Erklärung der Niederenergetischen Kernreaktionen

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Journal of Condensed Matter Nuclear Science

Journal of Condensed Matter Nuclear Science 25 (November 2017) 68-75, © 2017 ISCMNS
Binuclear Atoms: A Model to Explain Low Energy Nuclear Reactions
Paolo Accomazzi, Independent Researcher, via Pasubio 31, 28100 Novara, Italy
paolo.accomazzi@gmail.com

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Zusammenfassung

In diesem Beitrag wird gezeigt, dass die von Randell L. Mills gewonnenen heliumartigen Wasserstoffspektren und der von Holmlid erzeugte ultradichte Wasserstoff als experimenteller Nachweis von binuklearen Atomen interpretiert werden können. Das binukleare Wasserstoffatom, ein vor 25 Jahren entwickeltes Modell, ist eine metastabile Struktur, in der die beiden Kerne auf sehr kurzer Distanz in einer atomähnlichen Konfiguration zusammengehalten werden. Es dürfte sich dabei um eine einzigartige Konfiguration des Wasserstoffmoleküls handeln, in der sich die Kerne durch eine hohe kinetische Energie auszeichnen und die Kernbewegung an eine elektrische Bewegung gekoppelt ist. Dies stellt ein völlig anderes Modell dar als die übliche Born-Oppenheimer-Darstellung von Atomen und Molekülen, an die wir gewöhnt sind, bei der die Kerne um ihre Gleichgewichtspositionen oszillieren und die elektrische Bewegung von der Kernbewegung entkoppelt ist. Die Identifizierung von heliumartigen Wasserstoffspektren und von ultradichtem Wasserstoff als Binukleare Atome hat erheblichen Einfluss auf einen der Haupteinwände gegen die Niederenergetischen Kernreaktionen (LENR): die Überwindung der Coulomb-Barriere und damit die Identifizierung eines tragfähigen Mechanismus für das Zustandekommen von LENR. Diese Arbeit liefert keine endgültigen Ergebnisse. Das Ziel dieser Arbeit besteht einzig darin, die Aufmerksamkeit der Menschen, die sich für die Mechanismen von LENR interessieren, auf dieses Thema zu lenken und sie zu ermutigen, sich ernsthaft mit dieser Hypothese auseinanderzusetzen.

1. Einführung

Einer der Haupteinwände gegen die Niederenergetischen Kernreaktionen besteht in dem Fehlen eines Modells, mit dessen Hilfe die Möglichkeit erklärt werden könnte, dass sich zwei Kerne für einen ausreichend großen Zeitraum in einem so geringen Abstand zueinander befinden, dass durch sie Kernreaktionen ausgelöst werden können. Das Fehlen eines Mechanismus zur Überwindung der Coulombbarriere ist ein Argument dafür, jegliche Behauptungen von Kernreaktionen zurückzuweisen. So bildet beispielsweise auch die Arbeit von Rossi und Focardi[1] gegenüber diesem Einwand keine Ausnahme. In ihrer Diskussion zum Nickel-Wasserstoff-System und in ihrem Versuch, die Möglichkeit von Kernreaktionen zu bewerten, berechnen Rossi und Focardi mit Hilfe der Gamow-Formel die Tunnelwahrscheinlichkeit [math]P[/math] eines Protons, das in engen Kontakt mit dem Ni-Kern gerät, was in der Approximation nach Evans[2] lautet:

[math]P \approx e^{-(2 \pi z Z / 137 \beta)}[/math], (1)

worin [math]z[/math] und [math]Z[/math] die Ladungswerte für Ni [math](Z = 28)[/math] und H sind und [math]β = v / c[/math] das Verhältnis zwischen der Geschwindigkeit des einfallenden Teilchens und der Lichtgeschwindigkeit darstellt. Berücksichtigt man, dass die kinetische Energie berechnet werden kann als

[math]E_c = \frac12 mv^2 = \frac32 kT[/math],

beträgt die Temperatur etwa 1000 K, so erhält man eine kinetische Energie von [math]E_c \approx 0,13 \; eV[/math]. Setzt man diese Werte nun in Formel (1) ein, so erhält man für die Tunnelbildung eine äußerst geringe Wahrscheinlichkeit, nämlich [math]P \approx e^{-2440} \approx 4,7 \times 10^{-1059}[/math] – ein Wert, bei dem das Eintreten nuklearer Ereignisse nicht mit eingerechnet ist.

2. Binukleare Atome

Im Jahr 1991 legte Cerofolini[3] eine Theorie vor, mit der einige experimentelle Resultate erklärt werden sollten, die bei Experimenten zur Ionenimplantation erzielt wurden. Bei Ionenimplantationsexperimenten werden Ionen mit unterschiedlichen Energiewerten auf ein festes Target beschleunigt. Dieser Prozess führt unter anderem dazu, dass es zu frontalen Zusammenstößen zwischen Atomen in einem breiten Energiebereich bis hinunter in den eV-Bereich kommt, bei denen das Projektil den größten Teil seiner anfänglichen kinetischen Energie verloren hat. Hier sei insbesondere auf die Artikel [4] und [5] verwiesen. Kurz gesagt, verschiedene deuterierte Ziele (zum Beispiel TiD) werden mit Clustern deuterierter Moleküle beschossen (zum Beispiel D2O), und die Deuteron-Deuteron-Fusionsrate wird als Funktion der auftreffenden Projektile gemessen. Durch die Analyse der experimentellen Daten gelangt Cerofolini zu der Hypothese eines Zwischenzustandes, eines metastabilen Zustandes bei etwa 30 eV, der für die gemessene hohe Fusionsrate verantwortlich sein muss: das binukleare Atom.

In einer ersten Fassung werden die binuklearen Atome in [6] auf folgende Weise definiert:

Betrachten wir die frontale Kollision von zwei Atomen mit den Ordnungszahlen [math]Z_1[/math] und [math]Z_2[/math]. Von besonderem Interesse dabei ist der Umstand, dass die kinetische Energie ausreicht, um die Kerne auf einen Abstand zu bringen, der kleiner ist als der Radius des am stärksten gebundenen Elektrons. Dabei können sich die Elektronen derart umordnen, dass sie, zumindest vorübergehend, eine Konfiguration bilden, die der des Atoms mit der Ordnungszahl [math]Z_1 + Z_2[/math] entspricht, denn diese Konfiguration hat eine Bindungsenergie, die viel niedriger ist als diejenige der beiden einzelnen Atome. Betrachtet man nur ein Elektron, das die Energie für den ersten Orbit des wasserstoffähnlichen Atoms [math]E(Z) = Z^2E_0[/math] besitzt, folgt daraus, dass [math]E(Z_1 + Z_2) \lt E(Z_1) + E(Z_2)[/math]. Diese überschüssige Bindungsenergie kann die internukleare Coulomb-Abstoßung teilweise ausgleichen und das resultierende binukleare Atom vorübergehend stabilisieren.

Nach einigen Überlegungen kommt Cerofolini zu dem Schluss, dass die Existenz binuklearer Atome sich auf einige wenige Paare von leichten Atomen beschränkt[6].

In [7] schreibt Cerofolini dazu:

Binukleare Atome sind metastabile Anordnungen, bei denen zwei Kerne durch die elektrische Energie der umkreisenden Elektronen in einer atomartigen Konfiguration zusammengehalten werden. Die Existenz des heliumartigen binuklearen Wasserstoff-Wasserstoff-Atoms (H+H+)2e- wird explizit vorhergesagt, obwohl die für seine Bildung erforderliche Aktivierungsenergie (~ 30 eV) für die herkömmliche Chemie extrem hoch ist, so dass es nur unter ganz speziellen Bedingungen, wie sie innerhalb einer dichten Kollisionskaskade auftreten, gebildet werden kann. Dem binuklearen Atom (H+H+)2e- wird eine Metastabilität mit einer bemerkenswert hohen Aktivierungsenergie (von mehreren Elektronenvolt) für seine Aufspaltung vorausgesagt. Im binuklearen Atom (H+H+)2e- stellt die elektrische Energie keine Bewegungskonstante dar und ist gekoppelt an die kinetische Energie des Kerns, wobei sich die Kerne mit einer kinetischen Energie in der Größenordnung von 10 eV bewegen, auch wenn sie in einem Bereich von 0,4 bis 0,5 a0 angesiedelt bleiben, in dem a0 den Bohrschen Radius [math](a_0 = 0,53 \times 10^{-8} cm)[/math] darstellt[7].

Somit beinhaltete Cerofolinis Idee von einem binuklearen Wasserstoff eine kurzlebige Art von Wasserstoff, bei dem die beiden Protonen in einem sehr geringen Abstand zusammengehalten werden und die Elektronen, die den Raum um eine stark konzentrierte positive Ladung umkreisen, dazu tendieren, heliumartige Eigenschaften anzunehmen. Dies ereignete sich 1992, lange bevor spektroskopische Ergebnisse eines heliumartigen Wasserstoffspektrums erzielt und der wissenschaftlichen Gemeinschaft zur Kenntnis gebracht wurden.

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Abbildung 1. Die Abbildung ist aus [8] übernommen. Die kurzwelligen EUV-Spektren (5 bis 50 nm)
der Emission der Mikrowellenzellen des Helium-Wasserstoff-Gemisches (obere Kurve)
und des Kontrollwasserstoffs (untere Kurve).

3. Die Extrem-Ultraviolett-Spektroskopie von Helium-Wasserstoff-Plasma

In seiner Schrift „Extreme ultraviolet spectroscopy of helium-hydrogen plasma“[8] kann Randell L. Mills die Ausbildung neuartiger Wasserstoff-Emissionslinien (siehe Abbildung 1) eines Gemisches aus 98 % Helium und 2 % Wasserstoffplasma bei Raumtemperatur und niedrigem Druck nachweisen. Der Ursprung der neuen Linien ist nicht ohne weiteres zu bestimmen: Triviale Erklärungen auf der Basis bekannter chemischer Spezies von Helium- oder Wasserstoffverbindungen sind ausgeschlossen. Die neuen Linien treten nur in Helium-Wasserstoff-Gemischen auf, nicht aber in reinem Helium oder Wasserstoff und auch nicht in Gemischen aus Wasserstoff und anderen Edelgasen. Die experimentellen Daten wurden in anderen Laboratorien repliziert. Obwohl Helium für diese Linien nicht verantwortlich zu sein scheint, zeigt Wasserstoff stattdessen in seinem Atomspektrum eine anomale Doppler-Verbreiterung. Dabei ist jedoch nicht klar, wie eine Wasserstoffspezies ein Elektron mit einer höheren Energie als der ersten Bohrschen Energie, nämlich 13,6 eV, an sich binden kann, während die neuen Emissionslinien eine Energie von mehr als 27,1 eV aufzeigen. Mills erklärt diese neuen Emissionslinien mit einer neuen Theorie[9], dem Hydrino, das als neuer Grundzustand des atomaren Wasserstoffs anzusehen ist.

Geht man jedoch davon aus, dass sich ein binuklearer metastabiler Zustand des Wasserstoffs ausbildet, kann man dieser Interpretation allerdings widersprechen. Man bedenke, dass sich durch die katalytische Wirkung des Heliums im Helium-Wasserstoff-Plasma binukleare Wasserstoffatome bilden. Befinden sich die beiden Wasserstoffkerne nahe genug beieinander, können sich die um sie kreisenden Elektronen so umordnen, dass sie die Eigenschaften von Helium annehmen, was den Ursprung des heliumartigen Wasserstoffspektrums liefert.

Bei genauerer Betrachtung des Energiediagramms der neuen Wasserstoffpeaks aus Abbildung 1 kann man erkennen, dass das erzeugte Diagramm (siehe Abbildung 2) einer Parabel gleicht. Man erinnere sich daran, dass die Eigenwertstruktur [math]E \approx n^2[/math] charakteristisch für ein Teilchen ist, das sich in einer unendlichen quadratischen Senke befindet. Dies könnte darauf hindeuten, dass die beiden Protonen in einem Potentialtopf festgehalten werden, wenn ihr Abstand [math]r \to 0[/math]. Da wir uns außerhalb des Bereichs der Born-Oppenheimer-Näherung befinden, sollte es sich hier zugleich um den elektrischen und den nuklearen Eigenwert handeln, weil elektrische und nukleare Bewegung stark aneinander gekoppelt sein sollten.

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Abbildung 2. Energiewerte, die den neuen Wasserstoffpeaks in [8] entsprechen.

Bevor wir Mills' Arbeit verlassen, soll noch eine letzte wichtige Bemerkung hinzugefügt werden, die wir später noch einmal aufgreifen werden. Die genannten Ergebnisse wurden in verschiedenen Laboratorien repliziert[10], wobei eine anormale Verbreiterung der Wasserstoff-Balmer-Linien beobachtet wurde. Und laut Mills [8] beträgt die durchschnittliche Kerntemperatur des Wasserstoffatoms 180 bis 210 eV gegenüber ≈ 3 eV bei reinem Wasserstoff (siehe für Details Abbildung 3). Eine anormal hohe protonenkinetische Energie ist ein typisches Merkmal, das uns zu einem nächsten experimentellen Ergebnis führt: ultradichter Wasserstoff.

4. Ultradichter Wasserstoff

Durch seine Arbeit an der Rydberg-Materie ist Prof. Holmlid in der Lage, in seinem Labor eine einzigartige Form von ultradichtem Wasserstoff und von Deuterium mit den folgenden erstaunlichen Eigenschaften zu gewinnen: Die beiden Kerne verfügen über eine kinetische Energie von bis zu 1000 eV und befinden sich mutmaßlich in einer Entfernung in der Größenordnung von 10-2 A [11]. Der niedere Bereich der von Holmlid gemessenen Energien überschneidet sich mit dem oberen Bereich der von Mills für heliumartige Wasserstoffspektren festgestellten Energien.

Bei der Rydberg-Materie[12] handelt es sich um einen Materiezustand, der durch Rydberg-Atome gebildet wird, d. h. durch Atome, bei denen sich die äußersten Elektronen auf angeregten flachen kreisförmigen Bahnen bewegen. Flache Cluster dieser Atome teilen sich diese peripheren Elektronen, welche nur lose an den inneren Kern der Atome gebunden sind. Die Rydberg-Elektronen des Clusters sind wie bei einem Metall in ein Leitungsband verlagert.

Auf diese Weise liegen bei der Rydberg-Materie die Bindungsabstände normalerweise in einer Größenordnung von 10 A und mehr. Ganz im Gegensatz dazu scheint sich die Struktur von ultradichtem Wasserstoff oder Deuterium von der gewöhnlichen Rydberg-Materie zu unterscheiden: Das Hauptproblem besteht in der Frage, wie mit dem Verhalten der Elektronen in dieser Struktur umzugehen ist. Wenn sich die Kerne in einer so kurzen Entfernung voneinander befinden, wie sollen dann die Elektronen, die auf einer sehr großen Umlaufbahn weit entfernt von den Kernen kreisen, die Coulomb-Abstoßung der Kerne abschirmen?

Es erübrigt sich zu erwähnen, dass Prof. Holmlid für ultradichten Wasserstoff eine andersartige, auf Spin basierende Rydberg-Materie vorschlägt (siehe Abbildung 4). Gleichwohl wird vorgeschlagen, dass es sich bei ultradichtem Wasserstoff um eine Art von Binuklearem Atom handelt, dessen Bildung durch seine Wechselwirkung mit der Oberfläche des verwendeten Fe-Katalysators ermöglicht wird. In einem sehr interessanten Artikel wird dargelegt, wie eine metallische Oberfläche zwei Ladungen gleicher Polarität auf einen so geringen Abstand bringen kann, dass dieser um Größenordnungen niedriger liegt als der Gleichgewichtsabstand des Potentialminimums des Paares[13]. Möglicherweise verfügt eine metallische Oberfläche sowohl in Rossi- als auch in Holmlid-Umgebungen über eine solch katalytische Wirkung, Protonenpaare auf einen so geringen Abstand zueinander zu bringen, dass der Binukleare Atomzustand hervorgerufen werden kann.

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Abbildung 3. Diese Abbildung ist aus [8] entnommen. Die Balmer-α-Linienbreite von 656,3 nm, erfasst mit einem hochauflösenden (± 0,006 nm) Spektrometer für sichtbares Licht an Helium-Wasserstoff- (90/10 %) sowie an Wasserstoff-Mikrowellenentladungsplasmen. Es wurde eine signifikante Verbreiterung des Helium-Wasserstoff-Plasmas beobachtet, die einer durchschnittlichen Temperatur des Wasserstoffatoms von 180 bis 210 eV entspricht, verglichen mit den ≈ 3 eV für reinen Wasserstoff.

5. Diskussion

Da keine geeignete analytische Formel verfügbar ist, muss die Lösung der Gleichung für das Wasserstoffmolekül auf numerischem Wege hergeleitet werden. Bereits seit 1964 wird die Wellenfunktion mit Hilfe der Arbeiten von Kolos und Wolniewicz bestimmt, indem die Schrödinger-Gleichung für den nächstfolgenden Hamiltonian gelöst wird, ohne dabei von der Born-Oppenheimer-Näherung auszugehen, d. h. unter Gleichbehandlung von Protonen und Elektronen[14][15][16][17][18][19]:

[math]H_0 = \sum_i \large\frac{p^2}{2m_i} + \sum_{i \gt j} \large\frac{q_i \, q_j}{r_{ij}}[/math], (2)
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Abbildung 4. Ultradichte Wasserstoffstruktur, vorgeschlagen von Prof. Holmlid – siehe [9].

wobei sich die Indizes [math]i[/math] und [math]j[/math] über alle vier Teilchen erstrecken und [math]\overrightarrow{r_{ij}}[/math] der Vektor von Teilchen [math]i[/math] nach Teilchen [math]j[/math] ist. Wir verwenden atomare Einheiten, d. h. [math]q = m_e = h = 1[/math] und die Feinstrukturkonstante [math]a^{-1} = c \approx 137[/math]. Dabei wird variationell eine Lösung der Schrödinger-Gleichung [math]H_0 \psi = E \, \psi[/math] ermittelt, die auf diesem Niveau noch keine Spin-, relativistischen oder QED-Effekte berücksichtigt. Da es sich hierbei nur um kleine Korrekturen handelt, können diese mit Hilfe der Störungstheorie als Standardverfahren behandelt werden: Die Korrekturen werden als Erwartungswert des Hamiltonian bewertet, der die Störung mit Hilfe der zuvor erhaltenen ungestörten Wellenfunktion beschreibt. Unter Verwendung dieses Schemas können die Korrekturen der Energie, die mit dem [math]H_0[/math]-Hamiltonian bestimmt wurden, in Form von Potenzen der Feinstrukturkonstante wie folgt geordnet werden:[18][20]

[math]E(\alpha) = E^{(0)} + E^{(2)} + E^{(3)} + E^{(4)} + \dots[/math] (3)

Jedes [math]E^{(n)}[/math] enthält die Korrektur der Ordnung [math]\alpha^n : E^{(0)}[/math] ist der Eigenwert der nichtrelativistischen Schrödinger-Gleichung [math]H_0[/math], währenddessen [math]E^{(2)}[/math] der Erwartungswert für den Breit-Pauli-Hamiltonian ist, ferner [math]E^{(3)}[/math], [math]E^{(4)}[/math] und folgende die verschiedenen Ordnungen der QED-Beiträge. Für die Zwecke dieser Arbeit reicht es aus, auf der Ebene des Breit-Pauli-Hamiltonian zu enden, die sich aus mehreren Termen zusammensetzt:

[math]H_{BP} = H_{MV} + H_{DW} + H_{OO} + H_{SO} + H_{SS}[/math], (4)

worin sich die verschiedenen Komponenten befinden: [math]H_{MV}[/math] ist der Massen-Geschwindigkeits-Term, [math]H_{DW}[/math] ist der Darwin-Term, [math]H_{OO}[/math] die Orbit-Orbit-Wechselwirkung, [math]H_{SO}[/math] die Spin-Orbit-Wechselwirkung und schließlich ist [math]H_{SS}[/math] der Term für die Spin-Spin-Wechselwirkung.

Für unsere Zwecke reicht es aus, die Korrekturen bezüglich der beiden Protonen im Detail nur für den in Abbildung 5 dargestellten Fall zu untersuchen. Die Formeln leiten wir von einer symmetrischen Annäherung an den Breit-Pauli-Hamiltonian ab, wie dies in [21] zu sehen ist, wobei zu berücksichtigen ist, dass wir [math]\overrightarrow{p_1} = -\overrightarrow{p_2}[/math] für eine Bewegung um den gemeinsamen Massenschwerpunkt vorliegen haben (siehe Abbildung 5). Hier sind [math]\overrightarrow{r}[/math] der Proton-Proton-Abstand, [math]m[/math] die Protonenmasse und [math]\overrightarrow{\mu} = eg\overrightarrow{s} / (2m)[/math] sein magnetisches Moment. Das hochgestellte pp steht dafür, dass es sich hierbei um die Korrektur handelt, welche nur auf den Protonen beruht.

[math]H^{pp}_{OO} = - \large\frac{\alpha^2}{4m^2} \large\frac{\overrightarrow{p_1} \, \cdot \, \overrightarrow{p_2}}{r}[/math], (5)
[math]H^{pp}_{SO} = - \large\frac{g \alpha^2}{m^2} \large\frac{(\overrightarrow{s_1} + \overrightarrow{s_2}) \, \cdot \, \overrightarrow{r} \, \times \, \overrightarrow{p_1}}{r^3}[/math], (6)
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Abbildung 5. Zwei Protonen, die mit parallelem Spin um den gemeinsamen Massenschwerpunkt rotieren.
[math]H^{pp}_{SS} = \large\frac{g^2 \alpha^2}{4m^2} \large\frac{\overrightarrow{s_1} \, \cdot \, \overrightarrow{s_2}}{r^3}[/math]. (7)

Aufgrund des Protonenquadrats im Nenner, das den nuklearen Beitrag um sechs Größenordnungen senkt, fallen diese Korrekturen im Vergleich zu den elektrischen Korrekturen offensichtlich äußerst gering aus.

Was allerdings bemerkenswert ist und den Kern dieser Arbeit ausmacht, ist die funktionale Form dieser Korrekturen und ihr Verhalten im Vergleich zur Coulomb-Abstoßung [math]1/r[/math], wenn [math]r \to 0[/math]. Wie man sehen kann, sind die drei Ausdrücke [math]H^{pp}_{OO}[/math] (5), [math]H^{pp}_{SO}[/math] (6), [math]H^{pp}_{SS}[/math] (7) jeweils asymptotisch zu [math]1/r[/math] , [math]1/{r^2}[/math], [math]1/{r^3}[/math]. Je nachdem, wie die Spins wechselseitig orientiert sind, verändern sich folglich die Vorzeichen von [math]H^{pp}_{SO}[/math] und [math]H^{pp}_{SS}[/math]. Wie auch immer, für [math]r \to 0[/math] scheint der führende Term [math]H^{pp}_{SS}[/math] (7) derjenige zu sein, der bei entgegengesetztem Protonenspin gegen [math]-\infty[/math] für [math]r \to 0[/math] als [math]1/{r^3}[/math] läuft. Wie bereits gesagt, ist der Breit-Pauli-Hamiltonian ein Ausdruck, der in störender Weise verwendet werden muss und der als solcher die Korrektur erster Ordnung des Ausdrucks [math]H_0[/math] (2) für Kerngeschwindigkeit und -spin darstellt. Daher ist es unzulässig, das Systemverhalten für [math]r \to 0[/math] zu extrapolieren, da es sich dabei um eine Bedingung handelt, die sehr weit vom Born-Oppenheimer-Minimum entfernt ist, was durch die Anwendung des [math]H_0[/math]-Hamiltonian (2) beschrieben wird. Betrachtet man den Breit-Pauli-Hamiltonian jedoch als Anhaltspunkt, so kann davon ausgegangen werden, dass die Energie des Systems für [math]r \to 0[/math] auf irgendeine Weise niedriger sein wird, so dass für die beiden Protonen bei einem geringeren Abstand als der üblichen Wasserstoffbindungslänge ein Potenzialtopf entsteht. Dieser Umstand sollte mit einer überzeugenderen theoretischen Methode untersucht werden, z. B. mit einer geeigneten Version der Dirac-Gleichung.

Existiert ein solcher gebundener Zustand, sollte man ihn als „Binukleares Atom“ bezeichnen und er sollte Eigenschaften aufweisen, wie sie sowohl heliumartige Wasserstoffspektren als auch ultradichter Wasserstoff aufweisen. Der Grund dafür ist einfach: Zwei Protonen, die sich sehr nahe beieinander im Raum auf einer Kreisbahn bewegen, würden ein elektrisches Feld erzeugen, das dem des Heliumkerns sehr ähnlich ist. Da es sich zudem nicht um einen Born-Oppenheimer-Zustand handelt, verändert der angeregte Zustand des Kerns auch direkt die elektrischen Eigenwerte, wodurch im Spektrum hochenergetische Linien hervorgerufen werden. Was den ultradichten Wasserstoff angeht, muss daran erinnert werden, dass ein binukleares Atom sich durch die Rotationsachse der Protonen auszeichnen sollte. Diese Anisotropie könnte zugleich Ursache und Wirkung eines Magnetfeldes sein – und je nach Entstehungsmechanismus könnte man, wie von Holmlid beschrieben, mehrere in Säulen gestapelte binukleare Atome vorfinden (Abbildung 4).

6. Abschließende Bemerkungen

Es wurde versucht zu zeigen, dass das binukleare Atommodell in der Lage ist, verschiedene unverwechselbare experimentelle Ergebnisse zu erklären. Die Existenz heliumartiger Wasserstoffspektren, die nur in einem gemischten Plasma aus Helium und Wasserstoff auftreten, deutet auf die Bildung einer metastabilen Form des Wasserstoffs hin, die sich durch eine hohe protonenkinetische Energie und ein heliumartiges elektrisches Spektrum auszeichnet. Andererseits kann ein Nachweis von ultradichtem Wasserstoff auch als die Bildung eines weiteren metastabilen Wasserstoffs mittels einer metallischen Oberfläche verstanden werden, der sich durch einen sehr geringen Protonen-Protonen-Abstand und eine sehr hohe kinetische Energie auszeichnet.

Letztendlich können wir die Folgen von ultradichtem Wasserstoff in Rossis E-Cat betrachten. Wenn die Oberfläche eines Nickelgitters in der Lage ist, binukleare Atome zu bilden, kann mittels der Gamow-Formel die Wahrscheinlichkeit berechnet werden, mit der der Wasserstoff in Kontakt mit dem Nickelkern kommt. Bei einem Energiewert für Protonen von ≈ 1000 eV anstelle von ≈ 0,13 eV [1][9] beträgt der rechnerische Wert für die Wahrscheinlichkeit [math]P \approx 10^{-12}[/math]. Dies stellt einen etwas anderen Wert dar als der von Rossi und Focardi genannte und könnte für das Zustandekommen von Kernreaktionen verantwortlich sein.

Das binukleare Atommodell stellt das fehlende Bindeglied zwischen Physik und Chemie dar.

Danksagungen

Der Autor dankt dem Gutachter für seine Kommentare, Alberto Accomazzi und Jed Rothwell für ihre wertvolle redaktionelle Unterstützung.

Referenzen

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